Hallo ans Forum,
diesbezüglich habe ich hier bereits viele unterschiedliche Haltungen kennengelernt, die mir sehr geholfen haben mich versierter und weniger emontional mit der Situation in Burma auseinanderzusetzen, was mir zugegebenermassen schwer fällt.
Als Newsletter-Abonnent der Burma-Initiative-Asienhaus habe ich ebenfalls eine Verschärfung und Anspannung wahrgenommen. Das betrifft nicht nur den Finanzhaushalt, sondern auch die Duldung von Menschenhilfsorganisationen, die der Junta immer stärker ein Dorn im Auge zu sein scheinen.
Meiner Ansicht nach unterstützt jeder Tourist, ob er nun will oder nicht, mit einem Teil seines Reisebudget auch die Unterdrückung und Ausbeutung der Bevölkerung.
Aber abgesehen von den Devisen profitiert das Militärregime vorallem und in erheblichem Mass von der Verklärung Burmas zu einem Traumreiseziel (s. 'Das Traumschiff', Wh. 01.01.2007). Und das funktioniert sehr gut. Mittlerweile höre ich von allen Ecken von Leuten, die nach Burma reisen – fast alle organisiert mit Reisegruppen, entweder als sogenannte Studienreise oder gleich zum First-Class-Tarif mit Rund-um-sorglos-Paket vom Feinsten.
Ein Paradoxon, da werden hier von einer kleinen Schar die Möglichkeiten diskutiert, wie man seine paar Dollars sinnvoll und an der Junta vorbei den Einheimischen zu Gute kommen lässt und auf der anderen Seite reisen Tausende und wahrscheinlich bald Millionen pauschal verbucht ins Land ihrer exotischen Träume. Um Missverständnisse erst garnicht aufkommen zu lassen, ich will diese Reiselustigen nicht verurteilen, jeder wie er will und kann, und ich bin nicht der Meinung, dass ich ein Besser-Touri bin, aber genau auf diese Zielgruppe hat es Than Shwe und seine Bluthunde abgesehen. Dafür wurden 5-Sterne-Hotels – z.B. der Tower mitten im archiologischen Areal von Bagan (Weltkulturerbe) – und -Resorts am Strand hochgezogen, klimatisierte Allradfahrzeuge angeschafft und u.a. ein Schiff vom Rhein für Irrawaddy-Fahrten angeschleppt. Das zahlungskräftige Klientel scheut sich nicht 3.000 Dollar für 10 Tage hinzublättern, als Trinkgeld verteilen sie 1000 Kyat-Noten oder gleich One-Dollar. Da können sich hier die Individualtouristen noch so sehr den Kopf über Anstand und politisch korrektes Verhalten zerbrechen, dieser Andrang und die Freude auf Exotik mit einem Hauch von Abenteuer, wobei das Risiko natürlich wohl kalkuliert ist und spätestens auf der Suite und beim Absacker zur Anekdote verkommt, drückt die kleinen humanitären Initiativen nieder. Diese Flut an Neugierigen, und da rechne ich mich hinzu, beschönigt die Situation und verharmlost das totalitäre System.
Nach meinem Wissen hat die Öffnung des Landes für den Tourismus zu keiner maßgeblichen Aufweichung harter Strukturen und einer deutlichen Verbesserung der Situation der Einheimischen geführt. Sicher haben Einige was davon, dass sie an der Reiseindustrie partizipieren dürfen, aber für das Gros hat sich wahrscheinlich wenig geändert oder sogar verschlechter, sofern das überhaupt noch möglich war.
Ob eine Brandmarkung und Stigmatisierung etwas Positives bewirken kann, ist Spekulation und von geschichtlichen Analogien hergeleitet eher zu bezweifeln. Sicher würde eine Tourismus-Boykott zu einer Konfrontation führen, die die einheimische Bevölkerung hart treffen könnte. Dazu drei Fragen: Ist diese im Sinne einer langfristigen Verbesserung der Lebensbedingungen überhaupt noch zu vermeiden? Ist das Hinnehmen des aktuellen Reisegebahrens, das einer Akzeptanz der Junta gleichkommt, ethisch vertretbar? Ist ein Verzicht auf eine Burmareise ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern und ein klares Nein zu den skrupellosen Machthaben und Despoten? Ich möchte hier keinen Boykott – eine sehr aggressive Maßnahme – befürworten, aber einen Streik!
Ein Streik ist freiwillig und gewaltlos. Er fordert heraus, zeigt Haltung und Misstände auf. Er lädt zum Gespräch ein ohne den Anderen dazu zwingen es gleich zu tun. Ich appeliere an eine Verantwortung gegenüber den Menschenrechten und ein kühles Überdenken, ob eine Reise nach Burma zur Zeit nicht doch recht leichtsinnig ist.
Burma ist mit oder ohne Tourismus in einer prekären Lage, die wir wahrscheinlich nur unzureichend beeinfussen können, ob wir nun hinfahren oder wegbleiben. Dennoch, ich will nicht unreflektiert mein Geld ausgeben, sondern wissen was damit passiert, in welche Hände es gerät. Das kann ich in Burma nur eingeschränkt nachvollziehen. Genauso wie die Dollars einer bescheidenen Existenz nützen, werden davon auch die Taschen der Junta gefüllt und Waffen gekauft, mit denen Regimegegner ermordet werden.
Grüße
Gerald