Hallo Freunde,
tools4fools schrieb am 18.11.06 um 06:32:28:
Weiss nicht, aber nur weil man Gast ist in einem fremden Land muss man nicht alles toll finden in dem Land...
nein, muss man natürlich nicht. Aber das Besondere an einer Reise um den halben Globus ist meiner Ansicht nach auch, dass man die Chance hat, mal ganz legitim nicht nach den gleichen Stereotypen agieren und reagieren zu müssen, die man zu Hause relmäßig bemüht.
Was hat das alles mit einer Moschee zu tun?
Nun, es ist dies ja ein Myanmar-Forum, und Myanmar ist ein durch und durch buddhistisch geprägtes Land. Man betrachte kurz eine beliebige Darstellung des buddhistischen Lebensrades, wie sie in vielerlei Auführungen immer wieder zu finden ist. Wenn gerade kein "Rad des Lebens" zur Hand ist, kann dies auch bei Wikipedia nachschlagen (
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Wheel_life_01.jpg) In der Mitte jedes Lebensrades sind ein Hahn, eine Schlange und ein Schwein gezeichnet. Sie sollen die drei Antriebskräfte für die Leidhaftigkeit des Lebens symbolisieren, nämlich die drei Grundübel: (a) Gier, (b) Hass und (c) Verblendung ... oder vielleicht übersetzt in eine moderne Sprache: (a) das unbedingte "Habenwollen", (b) unbedingtes "Nicht-Habenwollen" und (c) das Ignorieren des Offensichtlichen. Wenn man sich sich mal den Spaß macht und die eigenen Gedanken und Emotionen den Tag über sozusagen "etikettiert" also möglichst einfach beschreibt, was man in bestimten Situationen gerade empfindet, kann es sein, dass sich alle Regungen reduzieren lassen auf die drei Grundreaktionen (a) "Will ich haben!", (b) "Will ich nicht haben!" und (c) "Will ich nichts mit zu tun haben". So ein Zufall aber auch

Während wir im Alltag kaum aus diesen Verhaltens-Schemata ausbrechen können, bietet sich der Aufenthalt in einem fernen Land geradezu an. Für mich es ein ganz wesentliches Element meiner Reisen nach SOA die eigenen Verhaltensmuster auf den Prüfstand zu stellen und neu zu bewerten. Ganz häufig kommt dabei heraus, dass man wesentlich mehr Freiheitsgrade bei der Bewertung eines Sachverhaltes hat, als man sich selbst zugesteht. Ein Beispiel:
Als junger Mensch hatte ich mal das Glück in die Oase El-Fayum westlich von Kairo zu kommen. Übernachtet habe ich da in einer Art Jugendherberge (zumindest durfte ich da übernachten als ich meinen Jugendherbergsausweis vorgezeigt habe

). Mit etwa einem Dutzend anderer Jungs bezog ich ein Zimmer im ersten Stock. Aufgrund der Wärme blieben die Nacht über alle Fenster offen. In vielleicht 8 Meter Entfernung auf der anderen Strassenseite konnte man in der Dämmerung einen Trichter an der Hauswand geschraubt erkennen, aber ich konnte mir damals nicht vorstellen, was es damit auf sich hat. Und natürlich kam es wie es kommen musste: Im Morgengrauen - es mag vielleicht vier Uhr gewesen sein - schmetterte der Muezzin aus dem Schalltrichter das Morgengebet mitten durch unsere offenen Fenster. Wir sind alle von dem unbeschreiblichen Krach beinahe zu Tode erschrocken und buchstäblich aus den Stockbetten gepurzelt. Noch ehe ich richtig sauer werden konnte, machte sich allgemeine Heiterkeit im Zimmer breit, der man sich einfach nicht entziehen konnte. Alle Gäste in dem Zimmer waren wie aufgekratzt und wir sprachen, scherzten und lachten bis in den Morgen. Und sobald man einmal mit Fremden herzlich gelacht hat, ist Freundschaft nicht mehr weit und Feindschaft wird unmöglich. Seit dem ist für mich der Ruf des Muezzin - wo immer ich ihn höre - positiv besetzt. Da wurde eine Emotion rein zufällig "umetikettiert". Fast ohne mein zutun. Ganz buddhistisch mitten in einem islamischen Land.
Nein, man muss nicht alles toll finden in einem fremden Land, Aber man sollte vielleicht auch nicht vergessen, dass alles was man toll oder weniger toll findet nicht die Realität ist, sondern "lediglich" die Reflexion der Realität am eigenen Wesen.
Viele Grüße
HaPe